Train World: Erlebnis Eisenbahn

Ausflugtipps
// 9 Juni 2016

Im September 2015 wurde in Schaerbeek (Brüssel), nach zehn Jahren Vorbereitung, das Eisenbahnmuseum Train World offiziell eröffnet. Rund 100.000 Zuschauer schauten sich das Museum, das ebenso Kindern wie Erwachsenen und Eisenbahnern wie Nicht-Eisenbahnern gefällt, in den ersten sechs Monaten an. Es heißt, der belgische König Philippe habe bei der offiziellen Einweihung seine Begeisterung nicht verstecken können. #discover

Auch die kleine Milena ist ganz entzückt: „Kuck, e Fliger“, ruft die knapp Vierjährige, als sie die rassige Schnauze des feuerroten Italo an der Mauer sieht. „Unser Szenograph verpasste dem italienischen Hochgeschwindigkeitszug eine Neigung, die ihn aussehen lässt, als rase er wie ein Vogel auf den Zuschauer zu“. Museumsdirektor Piet Jonkers ist stolz, dass das Kind genauso so reagiert, wie von François Schuiten, dem Gestalter des Museums, beabsichtigt. Neben dem Italo schießen ein Desiro und ein Eurostar in den beleuchteten Raum, der durch die große Vitrine von den Zügen aus, die auf der Bahnstrecke Brüssel – Antwerpen vorbeifahren, bis Mitternacht sichtbar ist.
Der Rundgang durch das Museum beginnt im historischen Bahnhofsgebäude von Schaerbeek, das sein Äußeres aus dem Jahr 1887 nicht verändert hat. Auch die geräumige Verkaufshalle sieht aus wie damals: die Einrichtung aus Holz, hinter den Schaltern Fahrscheine, Stanzen und Fahrkartenentwerter, Bahnhofsuhren, Dienstanzüge und Galauniformen aus verschiedenen Epochen. Auf Großbildschirmen zeigen Filme die lange Eisenbahngeschichte auf und zeichnen die Entwicklung des belgischen Streckennetzes und der internationalen Verbindungen quer über den Kontinent nach.

Kolosse aus zwei Jahrhunderten

Über den Bahnsteig gelangt der Besucher in die vier Ausstellungshallen, in denen sich die Schwergewichte aus fast zwei Jahrhunderten bestaunen lassen, darunter die Lokomotive „Pays de Waes“, die in ihrem Baujahr 1844 ganze 60 Kilometer in der Stunde zurücklegte; eine Lok des Typs 18 von 1902, die bereits doppelt so schnell war, und die „Reine du Luxembourg“, die 1928 den Luxuszug „Edelweiss“ zwischen Brüssel und Luxemburg zog. Absolute Königin dieser Kolosse ist die Lok des Typs 12 „Atlantic“ von Cockerill, die mit ihrer aerodynamischen Form 1939 in 57 Minuten von Brüssel nach Oostende fährt und damit einen Geschwindigkeitsrekord aufstellt.

Überhaupt zeigt die Ausstellung, welch privilegierte Rolle Belgien, im 19. Jahrhundert zweite Industriemacht Europas hinter Großbritannien, bei der Entwicklung der Eisenbahn spielte. Die Herstellerfirmen des jungen Königreichs: De Ridder, Saint-Léonard, Nivelles, Dyle, Tubize, Cockerill und viele andere! Die erste Bahnverbindung zwischen zwei Hauptstädten brachte 1846 Brüssel acht Stunden an Paris heran, der Belgier Georges Nagelmackers gründete 30 Jahre später die „Compagnie internationale des wagons-lits“, und Belgien war in den 1950er Jahren maßgeblich an der Odyssee der Autozüge und des „Trans-Europ-Express“ (TEE) beteiligt. In den 90er Jahren verbindet die erste internationale TGV-Strecke Frankreich mit … Brüssel.

30 Meter Schiene unter Glas

Beeindruckend ist der 30 m lange Schienenstrang, der dem Besucher über einen Glasboden gehend die Entwicklung der Schienentechnik und der Schwellen näherbringt. Alte Signale, Schranken von früher, die Einrichtung eines Postwaggons, ganze Einrichtungen von Luxuszügen, Lazarettzügen und des Sonderzuges des belgischen Königs werden gezeigt. Ergreifend ist der Anblick des ohne Beschönigung ausgestellten Güterwagens, in dem zwischen 1942 und 1944 Tausende Juden und Zigeuner aus Belgien in die Vernichtungslager der Nazis überführt wurden.

Sogar die Stahlbrücke „Pont de Luxembourg“, die bis 2011 die Maas in Namur überquerte, hat den Weg nach Schaerbeek gefunden. Sie wurde neben dem alten Bahnhof errichtet, ehe die Museumshalle um sie herum aufgebaut wurde. Auch diese Brücke erinnert an das Kriegsgeschehen: Sie hat alle Sprengversuche der belgischen Armee, der Deutschen und der Alliierten sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg überlebt. Eine frühere Dienstwohnung neben dem Bahnhof von Schaerbeek ist an der Stelle erhalten geblieben, an der sie seit Jahrzehnten stand. Das Innere des Hauses hat François Schuiten liebevoll mit Utensilien aus den 50er Jahren ausgestattet, das Fahrrad an der Tür inklusive.
Auch der soziale Aspekt der Eisenbahn kommt nicht zu kurz: So ermöglichte die Bahn 1936, nach der Einführung des bezahlten Urlaubs, den Arbeitern ihre ersten bescheidenen Ferienreisen. Für den Fremdenverkehr begann der Aufschwung, der durch Werbeplakate dokumentiert wird.

Die Kunst der Inszenierung

Einen großen Teil seiner Anziehungskraft verdankt das Eisenbahnmuseum Train World in Schaerbeek dem Szenographen François Schuiten, dessen Inszenierung den Besucher in ihren Bann zieht. Der 60-jährige Belgier wohnt in der Brüsseler Gemeinde und hat sich einen Namen als Comic-Zeichner und Designer gemacht. Von ihm stammt die Dekoration der Brüsseler Metro-Station „Porte de Hal“ und der Station „Arts et Métiers“ in Paris. Für Luxemburg hatte er 1992 den Stand auf der Weltausstellung in Sevilla entworfen.

Mit Train World hat Schuiten in seiner Heimatgemeinde altes Eisenbahnmaterial und wertvolle Sammlerstücke zu einem harmonischen Ganzen vereint und auf einer Reise durch die Zeit Alt mit Neu vermischt: Nach den historischen Leckerbissen können sich die Besucher an einem Simulator als Lokführer üben und eine Fahrt in die faszinierende Zukunft der Mobilität unternehmen.
Ein Muss für Kinder und Erwachsene, Eisenbahner und Nicht-Eisenbahner!

Mehr Informationen auf www.trainworld.be

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