“ Wir müssen sicherstellen, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat „.
Unicef begeht den Weltkindertag am Sonntag, dem 20. November, vor dem Hintergrund von Krisen an mehreren Fronten. Paul Heber, Chief Communication Officer von Unicef Luxemburg, spricht über die Bedeutung des Schutzes der Kinderrechte als Garantie für eine bessere Zukunft für die gesamte Gesellschaft.
Wie ist die Lage der Kinderrechte am Ende des Jahres 2022?
„Trotz offensichtlicher Fortschritte, die zu einem tendenziellen Rückgang der globalen Kindersterblichkeitsrate führen, war es wahrscheinlich noch nie so schwierig, ein Kind zu sein, wie in der heutigen Welt. Viele Kinder müssen nämlich mit dem Lärm von Bomben oder unter prekären Bedingungen leben und aufwachsen. Ganz zu schweigen von den Folgen der Erfahrungen mit der Covid-19-Pandemie, von der fast jedes Kind auf der Welt betroffen war.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie bei Kindern?
„In Bezug auf die COVID-19-Pandemie haben wir zwei landesweite Studien durchgeführt und die Kinder direkt nach ihrer Meinung gefragt, um ihre Gefühle besser verstehen zu können. Nun, das Mindeste, was man sagen kann, ist, dass die Pandemie bei den Kindern Spuren hinterlassen hat. Auch wenn sie von den direkten Auswirkungen des Covid-19 weniger betroffen waren, spürten sie die indirekten Auswirkungen, wie etwa die Isolation und den Hausunterricht. Die Kinder, die am stärksten gefährdet waren, litten umso mehr unter der fehlenden Interaktion mit ihrem schulischen Umfeld. Während viele Kinder und Jugendliche es genossen, Zeit mit der Familie zu verbringen, vermissten sie ihre Kontakte außerhalb dieses privaten Bereichs.
Darüber hinaus gilt in Luxemburg jedes vierte Kind als arm. Das bedeutet knapp umschreiben, dass diese Kinder vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind. Diese Lebensbedingungen hatten natürlich auch einen großen Einfluss auf ihre psychische Gesundheit während der akuten Phase der Pandemie.
„Die gesamte Gesellschaft kann von den besseren Bedingungen profitieren, die Kindern geboten werden, die zu Erwachsenen mit einem erfüllten Leben heranwachsen werden und ihrerseits die Gesellschaft an ihrem vollen Potenzial teilhaben lassen.“
Paul Heber, Chief Communication Officer von Unicef Luxemburg
Wie erklären Sie sich, dass jedes vierte Kind in Luxemburg von Armut bedroht ist?
„Wir alle wissen, dass das Leben in einem inflationären Umfeld teurer wird. Ein erschwerender Faktor ist unter anderem der Anstieg der Wohnungspreise. Wir stellen dies auch über unsere Studien und die jüngsten Zahlen des Statec fest. Und die Kluft wird immer größer.
Für viele Kinder ist die Situation in einem Land, das auf den ersten Blick einen gewissen Lebenskomfort bietet, nach wie vor angenehm. Für diejenigen, die sich „am unteren Ende“ der sozialen Leiter befinden, wird die Situation mit jeder Krise schwieriger oder sogar schlechter. Die Herausforderung für die Gesellschaft als Ganzes besteht darin, dafür zu sorgen, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat, damit sie zu Erwachsenen werden, die sich ihrer Fähigkeiten bewusst sind die sie besitzen. Vielleicht wird ein Kind von heute das Heilmittel gegen Krebs finden. Aber ohne die richtigen Bedingungen für seine Bildung wird dieses Heilmittel vielleicht nie auf den Markt kommen…
Wie kann in Luxemburg mehr Gerechtigkeit zwischen Kindern erreicht werden?
„Der soziale Status ist nach wie vor ein entscheidender Faktor für die psychische Gesundheit eines Kindes und die Achtung seiner Rechte. Häufig werden benachteiligte Kinder ihres vollen Potenzials beraubt und geraten in einen Teufelskreis der Armut, aus dem es sehr schwer ist, wieder herauszukommen.
Wir träumen nicht von einer utopischen Welt, sondern glauben, dass Luxemburg über genügend Mittel und guten Willen verfügt, um die bestehenden Ungleichheiten abzubauen. Denn die gesamte Gesellschaft kann von den besseren Bedingungen profitieren, die Kindern geboten werden, die zu Erwachsenen mit einem erfüllten Leben heranwachsen werden und ihrerseits die Gesellschaft an ihrem vollen Potenzial teilhaben lassen.
Welche Rolle kann Luxemburg bei der Verteidigung der Rechte von Kindern spielen, die internationalen Konflikten ausgesetzt sind, insbesondere in der Ukraine?
„Unsere Teams in der Ukraine wurden seit Februar dieses Jahres verstärkt, um vor Ort bei den Kindern in allen Phasen ihres täglichen Lebens einzugreifen, sei es in Bezug auf Ernährung, Schutz, Gesundheit und natürlich Bildung. Wir waren bereits vor 2014 vor Ort und werden so lange bleiben, wie es nötig ist. Und das trotz der erbärmlichen und instabilen Bedingungen. Die Bildung der Kinder muss fortgeführt werden, da das Land sonst Gefahr läuft, eine verlorene Generation zu haben, die es schwer haben wird, sich am Wiederaufbau ihres Landes zu beteiligen.
Von Luxemburg aus setzen wir unsere Bemühungen fort, verschiedene Interessengruppen zu sensibilisieren und Spenden zu sammeln, wobei wir darauf achten, dass die Mobilisierung mit der Zeit nicht nachlässt. Wir engagieren uns in einem langfristigen Kampf für die Solidarität. Wir stellen erfreulicherweise fest, dass viele Privatpersonen und Unternehmen uns weiterhin finanziell unterstützen. Jeder kann sich engagieren, auf seine Weise Druck ausüben, damit diese Invasion hoffentlich bald ein Ende findet und wir mit langfristigen Projekten beginnen können.
Was planen Sie an Sensibilisierungsmaßnahmen für den Welttag der Kinderrechte am 20. November?
„Das Blau von Unicef hat traditionell verschiedene öffentliche Gebäude und Firmensitze zu diesem Anlass beleuchtet. Doch die Energiekrise hat uns dazu veranlasst, unsere Aktion zu überdenken, die dieses Jahr in die digitale Welt rund um das Schlüsselwort #GoBlue wechselt. Wir hatten jeden dazu aufgerufen, auf seiner Website und in seinen sozialen Netzwerken die Farbe Blau zu tragen, indem er das Logo seines Unternehmens oder seiner Institution entsprechend einfärbt.
Auch wenn wir nicht mit der Fußballweltmeisterschaft in Katar verbunden sind, bleibt der Sport und damit auch der Fußball in vielen Ländern ein wichtiges Medium, um Kinder zu erreichen. Aus diesem Grund haben wir auch eine Challenge in den sozialen Netzwerken gestartet, um die größte virtuelle „Ola“ in Luxemburg zu erstellen. Das Ergebnis wird am Sonntag, den 20. November, als Video veröffentlicht.
Gemeinsam mit dem „Zentrum fir politesch Bildung“ und der Justiz- und Gerichtsverwaltung haben wir außerdem einen fiktiven Prozess organisiert, bei dem die Jugendlichen in einem Rollenspiel in die Rolle von Justizakteuren schlüpfen. Dies ermöglicht ihnen, für die Funktionsweise der Justiz und die Rechte der Kinder sensibilisiert zu werden.
Alle Unternehmen und Institutionen sind außerdem eingeladen, sich unser Toolkit für die Berichterstattung über den Weltkindertag anzueignen, damit sie unabhängig und nach ihrem eigenen Ansatz am Weltkindertag teilnehmen können.
Abgesehen davon zählen die Rechte des Kindes 365 Tage im Jahr, auch über den Weltkindertag hinaus“.