Andere Länder, andere Stromarten
Kunden der Linie 50 ist sicherlich aufgefallen, dass die Strecke über Kleinbettingen nach Arlon in regelmäßigen Abständen gesperrt war. Auch in Zukunft wird diese von Pendlern beliebte Strecke weitere Male gesperrt werden müssen.
Grund hierfür sind notwendige Arbeiten für die Umstellung des Stromnetzes der Linie 50: von 3.000 Volt Gleichstrom auf 25.000 Volt Wechselstrom.
Die Zugstrecke 50 ist die einzige Linie Luxemburgs, auf der Züge mit 3.000 Volt Gleichstrom fahren. Dieser Umstand findet seinen Ursprung in einer Zeit, in der sich das kleine Großherzogtum Luxemburg in Sachen Spannung dem großen Nachbarn Belgien angepasst hat. Seit den 50er Jahren verkehren elektrisch betriebene Züge in Belgien mit 3.000 Volt Gleichstrom. Bei der Sicherstellung der Stromversorgung auf der Linie 50, die Luxemburg über Kleinbettingen mit Arlon verbindet, wurde diesem belgischen Standard Rechnung getragen – mit allen Konsequenzen, die dieses System für Roll- und Schienenmaterial hatte.
Züge, die dem 3.000-Volt-Spannungsstandard nicht entsprechen, können nicht über die besagte Strecke nach Arlon fahren. Im Hauptbahnhof Luxemburg mussten spezielle Voraussetzungen geschaffen werden, um Züge aus Richtung Arlon zu empfangen. Durch diesen Umstand können Züge aus Richtung Arlon lediglich auf den Gleisen entlang der Bahnsteige 1,2,3 oder 4 einlaufen, da nur diese mit der benötigten Stromart gespeist werden können.
Warum die Umstellung?
In Europa besteht seit einiger Zeit das Bestreben der Interoperabilität im Eisenbahnsektor. Konkret heißt das, dass in Europa Voraussetzungen getroffen werden sollen, um ausländischen Eisenbahnunternehmen, sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr, die Fahrt auf fremden Eisenbahnnetzen zu ermöglichen. Bislang war dies lediglich durch den Einsatz von Fahrzeugen möglich, die unterschiedliche Stromspannungen handhaben können.
Am Ende der Arbeiten entspricht der Spannungsstandard jenem, der bereits jetzt in Teilen Belgiens und Frankreichs besteht. Zudem wird nach den Arbeiten auf der Linie 50 jeder einzelne Zug mit 25.000 Volt Wechselspannung fahren. Das Rollmaterial müsste somit lediglich einem einzigen Standard entsprechen; das Gleiche gilt für Weiter- und Fortbildungen, Infrastrukturen der Oberleitung sowie zu besorgende Wartungs- und Instandhaltungsteile. Durch die einheitliche Spannung können Gleise innerhalb des Hauptbahnhofs in Luxemburg zudem flexibler genutzt werden. Züge aus Richtung Arlon konnten lediglich auf den Gleisen bei den Bahnsteigen 1,2,3 und 4 einfahren. Nach den Arbeiten kann der Hauptbahnhof also noch besser und flexibler genutzt werden, ein wichtiger Garant in Sachen Pünktlichkeit.
Was ist zu tun?
Aufgrund der Beschaffenheit der neuen Oberleitungen müssen diese von Grund auf neu aufgebaut werden. Um den Zugverkehr aus und in Richtung Arlon nicht unnötig aufzuhalten, werden die Arbeiten phasenweise ausgeführt.
Die Strecke Luxemburg – Kleinbettingen wird vom 20. August bis zum 14. September 2016 für dreieinhalb Wochen gesperrt. Während dieser Komplettsperrung werden nach den bereits bei der letzten Sperrung getätigten Arbeiten weitere Fundamente für die neuen Oberleitungsmasten hergestellt. Insgesamt sollen bis März 2017 zu diesem Zweck 1.200 Fundamente realisiert werden.
Die Umrüstung der Strecke von Gleich- auf Wechselstrom bringt zudem einige signifikante Änderungen mit sich, so z.B. einen erhöhten benötigten Isolationsabstand. Um diesen zu gewährleisten, mussten einige Bauwerke entlang der Strecke angepasst werden, um die Unversehrtheit von Mensch und Material zu garantieren.
In diesem Sinne werden drei Brücken, genauer gesagt die Brücken bei den Haltestellen Mamer-Lycée, Mamer-Gare und Kleinbettingen, erhöht, um den strengen Sicherheitsbedingungen zu entsprechen – mindestens 6,5 m Abstand zwischen Gleisober- und Brückenfahrbahnunterkante.
Das Ausmaß der Erhöhung übersteigt in Mamer sogar 1 m. Um diesem Umstand gerecht zu werden, ist neben der Erhöhung der Brückenfahrbahn ebenfalls eine Senkung des Bahngleises an dieser Stelle nötig.
Um vollends von der dreieinhalbwöchigen Sperrung zu profitieren, werden in diesem Zeitraum ebenfalls Renovierungsarbeiten an der Haltestelle Kleinbettingen ausgeführt. Diese sollen Anfang 2018 fertiggestellt sein.
Was passiert danach?
Bis Ende 2016:
- Anpassungarbeiten (Isolationsabstand) an den Brücken in Mamer-Lycée, Mamer und Kleinbettingen
2017 – 2019:
- Fertigstellung der Oberleitungsfundamente (bis März 2017)
- Aufstellung der neuen Oberleitungsmasten
- Aufstellung der Schaltstellen auf der Strecke Luxemburg – Kleinbettingen sowie im Hauptbahnhof Luxemburg
- Abriss der bestehenden 3.000-Volt-Gleichstromanlagen
- Verlegen der neuen 25.000-Volt-Wechselstromoberleitung
- Feineinstellungsarbeiten an den neuen Wechselstromanlagen
Die Linie 50: ein Unikum
In der Eisenbahnwelt Luxemburgs kann man die Linie 50 Luxemburg – Kleinbettingen – Arlon zu Recht als Unikum bezeichnen. So ist Fahrgästen, die bei ihrer Zugfahrt gerne mal aus dem Fenster schauen, vielleicht schon mal aufgefallen, dass die Züge auf dieser Strecke, anders als bei allen anderen befahrenen Strecken in Luxemburg, immer auf dem linken Gleis verkehren. Dies ist lediglich eine von vielen Eigenheiten der 18,765 km langen Eisenbahnverbindung, die Luxemburg-Stadt mit dem Westen des Großherzogtums verbindet.